Aktualisiert am 08/05/2025 von Bettina Kapfer
Inhaltsverzeichnis
So machen wir uns durch Vergleiche selbst unglücklich
Du scrollst durch LinkedIn und siehst lauter „Ich durfte XYZ übernehmen“ oder „In meiner neuen Rolle darf ich XYZ“-Posts – und plötzlich fühlst du dich irgendwie… kleiner? Es ist dieser kurze Stich, den selbst die Erfolge von Menschen auslösen können, denen du den Erfolg aus vollem Herzen gönnst.
Das ständige Vergleichen mit anderen ist zu einer der größten Räuber von Zufriedenheit und Stolz auf die eigenen Leistungen geworden. Auch wenn das kein neues Phänomen ist – die Sozialen-Vergleichs-Medien tragen einiges dazu bei, dass das ein echtes Problem unserer Zeit geworden ist.
Mit jedem Swipe, jedem Scroll verlieren wir ein Stückchen Selbstvertrauen und Zufriedenheit. Das Perfide daran? Selbst nach eigenen Erfolgen verschwindet dieses Gefühl nicht. Es geht ja immer besser, irgendjemand auf LinkedIn oder Insta hat schließlich im selben Alter schon viel mehr erreicht gehabt.
Das stimmt so natürlich nicht. Wenn wir vergleichen, dann fokussieren wir nur auf einen kleinen Bereich, der ähnlich ist. ZB dass die andere Person auch im selben Jahr geboren wurde. Wir ignorieren alle anderen Dinge, die uns unterscheiden. Beim Vergleichen passieren noch viel mehr Denkfehler, die aber so nicht sein müssen, aber dazu gleich mehr.
In diesem Blogarrtikel zeige ich dir darum drei einfache Wege (Übungen), wie du aus dieser Vergleichsfalle ausbrechen kannst – ohne dabei deine Ambitionen oder deinen Antrieb zu verlieren.
[tl;dr: Alle, die keine Hintergründe und Infos aus der psychologischen Forschung möchten, sondern direkt zu den Übungen springen möchten: 👉 klicke hier]
Warum der Vergleich mit anderen uns unglücklich macht
Das Problem des Vergleichens begegnet mir in meinen Coachings viel öfter, als ich das gedacht hätte. Vor allem hochqualifizierte Frauen, die regelmäßig befördert werden und richtig viel schaffen, leiden trotzdem darunter, dass sie sich immerzu mit anderen vergleichen. Selbst nach einem eigenen Erfolg bleibt dieses nagende Gefühl: „Die anderen sind besser, weiter, erfolgreicher.“
Eine meiner Lieblingsklientinnen hat im Coaching mal folgenden Vergleich gezogen, den ich schmerzlich verzerrt finde: Sie hat ihren eigenen Werdegang und das, was sie erreicht hat, mit ihrem Vater verglichen. Während sie nach einer grausigen Scheidung von ihrem narzisstischen Ehemann alleinerziehend mit zwei Töchtern war (von den Auszeiten nach der Geburt gar nicht zu reden), konnte ihr Vater sich darauf verlassen, dass seine Gattin als Ehefrau und Mutter sich um die Kinder kümmerte, während er als Arzt und Professor erfolgreich wurde.
Ich glaube es ist in dem Beispiel sehr deutlich nachvollziehbar, warum mir dieser unfaire Vergleich von zwei völlig unterschiedlichen Lebensrealitäten so weh tut. Bevor wir daran gearbeitet haben, hat meine Klientin aber tatsächlich nur im Kopf gehabt: „In meinem Alter hatte mein Vater schon XYZ erreicht, ich bin eine Versagerin, weil ich das nicht geschafft habe“.
Psychologische Grundlagen des sozialen Vergleichs
Aus psychologischer Sicht ist unser Hang zum Vergleichen leider mit der Evolutionstheorie gut erklärbar. Der Sozialpsychologe Leon Festinger beschrieb bereits 1954 die „Theorie des sozialen Vergleichs“: Wir nutzen andere Menschen als Referenzpunkte, um unseren eigenen Wert und unsere Fähigkeiten einzuschätzen. Festinger argumentierte, dass Menschen ein grundlegendes Bedürfnis nach Selbsteinschätzung haben und soziale Vergleiche besonders dann herangezogen werden, wenn objektive Maßstäbe fehlen. Dabei vergleichen sich Personen bevorzugt mit anderen, die ihnen in Fähigkeiten oder Meinungen ähnlich sind.
In früheren Zeiten war dieser Mechanismus überlebenswichtig: Er zeigte uns unseren Platz in der sozialen Gruppe und half uns beim sozialen Navigieren in unzivilisierten Zeiten. Wieder so ein toller Überlebensmechanismus, der uns heute ordentlich Stress beschert. Wir vergleichen uns nämlich nicht nur mit den 10, 15 anderen Clan-Mitgliedern, sondern vieeeel besser:
Dem Internet und den Sozialen Medien haben wir es zu verdanken, dass wir uns heute mit dem gesamten Internet vergleichen können. Auf Facebook bekommen wir noch mit, dass Susi aus der Volksschule zum 5. Mal befördert wurde, auf Instagram zeigen uns die Influencer*innen, wie man in 1 Woche 30.000 EUR in Dubai verdient, und auf TikTok sehen wir, wie 16jährige viral gehen und sich Millionen-Villen kaufen.
Da kann ich beim Schreiben dieser Zeilen nicht gut ignorieren, dass wir schon in einer sehr merkwürdigen Welt (Zeit) leben…aber ok, weiter im Text…
Ich glaube, damit ist es genug der Einleitung. Meine Vermutung ist ja, dass du dich insbesondere dafür interessierst, wie du dieses permanente Vergleichen und dich selbst abwerten in den Griff bekommst.
So ehrlich möchte ich nämlich auch sein (das kennst du vielleicht auch schon von meinen anderen Blogartikel): Wann immer wir es mit alten Überlebensstrategien zu tun haben, wird es schwierig, es „ganz los zu werden“. Die realistischere Herangehensweise ist es, Wege zu finden, wie man besser damit umgehen kann und es auf ein vernünftiges Maß zurück schraubt. Schließlich können uns Vergleiche ja auch motivieren und voran bringen.
Es geht sofort los mit den 3 Wegen zu mehr Selbstakzeptanz, versprochen! 🤞
Aber ich möchte zuvor noch kurz darauf eingehen, wie sich Perfektionismus als Teil unserer Persönlichkeit auf problematisches Vergleichen auswirkt. Und auch kurz das Impostor Syndrom ansprechen, weil auch das in die selbe Kerbe schlägt und viel unnötiges Leid verursacht:
Vergleiche und die Perfektionismusfalle
Vergleiche und Perfektionismus verstärken sich gegenseitig in einem endlosen Kreislauf. Mehr Vergleiche führen zu höheren Perfektionsansprüchen, und höhere Perfektionsansprüche liefern mehr Anlässe für unvorteilhafte Vergleiche.
Die Perfektionismusfalle zeigt sich in drei besonders problematischen Aspekten:
- Die wandernde Ziellinie: Mit jedem erreichten Ziel rückt durch den Vergleich mit anderen sofort die nächste, noch höhere Messlatte in den Fokus. Man ist einfach nie zufrieden und glücklich mit dem, was man schon alles erreicht hat.
- Lähmender Perfektionismus: Im Gegensatz zu gesundem Leistungsstreben führt Perfektionismus häufig zu Prokrastination und Vermeidungsverhalten, da die Angst vor dem Scheitern übermächtig wird.
- Dichotomes Denken: Bei ständigem Vergleich mit den Besten wird alles unter „perfekt“ als Misserfolg gewertet – ein typisches Muster dysfunktionalen Perfektionismus. Denn wirklich perfekt ist es für Perfektionist*innen ja nie…
Dr. Brené Brown formuliert es treffend:
„Vergleichen ist der Dieb der Freude. Es gibt keine Grenzen beim Vergleichen. Selbst wenn man in etwas der Beste ist, findet man neue Kategorien, in denen man sich vergleichen und unzulänglich fühlen kann.“
Mehr zum Thema Perfektionismus kannst auch im Blogartikel Perfektionismus entlarvt: Der schmale Grat der Selbstansprüche nachlesen.
Vergleichen und das Impostor-Syndrom
Das Impostor-Syndrom – jenes tiefe Gefühl, eigentlich ein*e Hochstapler*in zu sein – steht in engem Zusammenhang mit sozialen Vergleichen. „Fake it till you make it“ mag ein populärer Ratschlag sein, doch für Menschen mit Impostor-Gefühlen gilt eher „Made it but still feeling fake„. 😬
Die Forschung zeigt eindeutig: Sozialer Vergleich ist einer der stärksten Treiber des Impostor-Syndroms. Es entsteht eine paradoxe Wahrnehmungsverzerrung: Die Erfolge anderer werden als verdient betrachtet, während die eigenen Erfolge auf Glück, Zufall oder Täuschung zurückgeführt werden.
Besonders betroffen sind:
- Frauen in männerdominierten Berufsbereichen
- Menschen aus weniger privilegierten Hintergründen in Eliteinstitutionen
- Hochleistungsträger*innen in Umgebungen, die „natürliche Begabung“ über Fleiß stellen
Das Perfide: Je erfolgreicher eine Person wird, desto intensiver können die Impostor-Gefühle werden. Mit jedem Karriereschritt wächst die innere Überzeugung: „Jetzt werden sie endlich erkennen, dass ich in Wahrheit nicht hier her gehöre…“
Laut Untersuchungen im International Journal of Behavioral Science erleben bis zu 70% der erfolgreichen Menschen mindestens einmal in ihrem Leben Impostor-Gefühle – und der Zusammenhang mit sozialen Vergleichen ist gut dokumentiert.
Die ermutigende Nachricht: Das Bewusstsein für diese Zusammenhänge bildet bereits den ersten Schritt zur Veränderung. Wer versteht, dass Impostor-Gefühle nicht die Realität widerspiegeln, sondern ein Symptom des sozialen Vergleichs sind, kann beginnen, sie als das zu erkennen, was sie sind: ein kognitives Muster, keine akkurate Beurteilung der eigenen Fähigkeiten.
Weg 1: Deinen eigenen Erfolgsmaßstab definieren
Die Verzerrung der Realität
Das grundlegende Problem bei all diesen Vergleichen ist die verzerrte Wahrnehmung: Bei anderen sehen wir nur die Erfolge, bei uns selbst den gesamten Weg mit allen Zweifeln.
Wenn jemand seine Beförderung postet, sehen wir nicht:
- Die Überstunden
- Die abgelehnten Bewerbungen
- Die Zweifel und Rückschläge
- Die schlecht geschlafenen Nächte
Beim Vergleichen passiert etwas Perfides: Wir vergleichen unsere Innenperspektive mit der Außenperspektive anderer. Das ist, als würden wir unseren eigenen „gelebten“ Kleiderschrank mit dem penibel gestylten Showroom eines Möbelhauses vergleichen. Wohl kaum ein fairer Vergleich…
Die Frage „Bin ich gut genug?“ quält uns so lange, bis wir selbst definieren, was „gut genug“ bedeutet. Ein persönlicher Erfolgsmaßstab funktioniert wie eine maßgeschneiderte Landkarte – sie zeigt nur die für dich relevanten Wege, nicht alle möglichen Routen der Welt.
Warum der Standard-Erfolgsmaßstab nicht funktioniert
Der gesellschaftliche Standard-Erfolgsmaßstab ist wie ein schlecht sitzender Anzug – er wurde nicht für uns gemacht und zwickt überall. „One size fits none“, wie der Brite sagen würde. 🧵
Dieser Standard orientiert sich typischerweise an linearen Karrierewegen, Geld und Statussymbolen. Dabei wird ignoriert, dass echter Erfolg für jeden Menschen etwas anderes bedeutet und von vier Schlüsselfaktoren geprägt wird:
- Persönliche Werte: Was dir wirklich wichtig ist – intellektuelle Herausforderung, Sicherheit, Autonomie oder soziale Wirkung
- Individuelle Stärken: Deine natürlichen Fähigkeiten, die dich von anderen unterscheiden
- Lebenssituation: Unterschiedliche Lebensphasen erfordern verschiedene Gewichtungen von Karriere, Familie und Freizeit
- Psychologische Grundbedürfnisse: Dein Bedürfnis nach Autonomie, Kompetenzerleben und Zugehörigkeit
Wer diese Faktoren ignoriert und sich an fremden Maßstäben orientiert, fühlt sich oft so, als ob er den fremden Maßstäben nicht genügt, und mag sich dabei selbst auch nicht besonders – eh klar, man handelt ja nicht im Einklang mit den eigenen Werten, und das fühlt sich 💩 an.
Übung: Deine persönliche Erfolgslandkarte
Schritt 1: Sammle deine Erfolgsmomente
Notiere 7-10 Momente in deinem Leben, in denen du echten Erfolg oder Stolz empfunden hast. Diese müssen nicht „beeindruckend“ sein, sondern sich für dich persönlich bedeutsam anfühlen. Zu jedem Moment notiere:
- Was genau passierte?
- Warum fühlte sich das erfolgreich an?
- Welche deiner Stärken kamen zum Einsatz?
Schritt 2: Entdecke die Muster
Analysiere diese Momente auf wiederkehrende Themen:
- Welche Situationen tauchen mehrfach auf?
- Welche Emotionen wiederholten sich?
- Welche Werte standen im Mittelpunkt?
Schritt 3: Definiere deine persönlichen Erfolgskriterien
Leite aus deinen Erkenntnissen 3-5 eigene Erfolgskriterien ab, die:
- Für dich persönlich bedeutsam sind
- In deiner direkten Kontrolle liegen
- Sowohl innere als auch äußere Aspekte umfassen
Beispiele:
- „Ich löse komplexe Probleme, die andere für unlösbar halten.“
- „Ich schaffe Klarheit, wo vorher Verwirrung herrschte.“
- „Ich bleibe meinen Werten treu, auch wenn es unbequem wird.“
Schritt 4: Der Reality-Check
Gleiche deine persönlichen Erfolgskriterien mit deiner aktuellen Lebens- und Berufssituation ab:
- Welche Kriterien werden bereits erfüllt?
- Wo gibt es Diskrepanzen zwischen deinen Kriterien und externen Erwartungen?
- Welche Anpassungen könntest du vornehmen?
Weg 2: Wachstumsorientierung statt Selbstkritik entwickeln
Der zweite Weg aus der Vergleichsfalle ist ein ganz klarer, entscheidender Mindset-Shift: von ständiger Selbstkritik hin zu einer echten Wachstumsorientierung.
Growth Mindset: Der Schlüssel zur Veränderung
Das Konzept des „Growth Mindset“ (Wachstumsdenken) stammt von der Stanford-Psychologin Carol Dweck. Sie unterscheidet zwischen zwei grundlegenden Denkweisen:
- Fixed Mindset: Die Überzeugung, dass Fähigkeiten angeboren und unveränderlich sind
- Growth Mindset: Die Überzeugung, dass Fähigkeiten durch Einsatz, Übung und Lernen entwickelt werden können
Der entscheidende Unterschied zeigt sich im Verhalten:
Fixed Mindset | Growth Mindset |
---|---|
Vermeidet Herausforderungen | Sucht Herausforderungen |
Gibt bei Hindernissen schnell auf | Zeigt Ausdauer bei Schwierigkeiten |
Sieht Anstrengung als nutzlos | Versteht Anstrengung als Weg zum Erfolg |
Ignoriert kritisches Feedback | Lernt aus Feedback |
Fühlt sich vom Erfolg anderer bedroht | Lässt sich vom Erfolg anderer inspirieren |
Das Growth Mindset ist keine angeborene Eigenschaft, sondern eine innere Haltung, an der man auch ganz bewusst arbeiten und sie entwickeln kann. Ich will ja nicht dramatisch sein, aber für Menschen, die sich oft im Grübeln über ihren Fehlern verlieren ist das DER GAMECHANGER!
Übung: Die Drei-Schritte-Methode zur Umdeutung von Rückschlägen
Eine der wirksamsten Techniken zur Entwicklung eines Growth Mindset ist die Umdeutung von Rückschlägen. Diese Methode besteht aus drei präzisen Schritten:
Schritt 1: Ereignis und Gefühl trennen
Bei einem Rückschlag (z.B. abgelehnte Bewerbung, kritisierte Präsentation):
- Benenne das faktische Ereignis: „Meine Bewerbung wurde abgelehnt.“
- Benenne das Gefühl separat: „Ich fühle mich enttäuscht und unsicher.“
Diese simple Trennung unterbricht den automatischen Gedankenfluss vom Ereignis („Ablehnung“) zur Selbstabwertung („Ich bin nicht gut genug“).
Schritt 2: Die Fixed-Mindset-Reaktion identifizieren
Erkenne typische Fixed-Mindset-Reaktionen:
- „Das beweist, dass ich nicht gut genug bin.“
- „Andere können das einfach besser als ich.“
- „Ich sollte es gar nicht erst versuchen.“
Diesen Gedanken nicht bekämpfen, sondern einfach als „Fixed-Mindset-Reaktion“ etikettieren.
Schritt 3: Die Growth-Mindset-Alternative formulieren
Formuliere mindestens eine alternative Sichtweise aus dem Growth Mindset:
- „Diese Ablehnung gibt mir die Chance, meine Bewerbung zu verbessern.“
- „Ich kann nachfragen, was genau ich beim nächsten Mal anders machen könnte.“
- „Jede Ablehnung bringt mich einen Schritt näher an die richtige Gelegenheit.“
Das Entscheidende: Diese Umdeutung muss authentisch sein. Es geht nicht um Schönreden oder toxischen Positivismus, sondern um eine ehrliche Neubetrachtung aus der Wachstumsperspektive.
Das Growth Mindset ist definitiv eine der besten Ressourcen für den Umgang mit Rückschlägen. Im Blogartikel „Besser mit Rückschlägen und Misserfolgen umgehen: 13 Tipps“ findest du noch vertiefte Gedanken und praktische Tipps zu diesem Thema.
Weg 3: Den eigenen Zeitplan akzeptieren
Einer der quälendsten Aspekte des Vergleichens mit anderen ist das hartnäckige Gefühl, „zu spät dran“ zu sein. Die Kollegin wurde mit 35 Jahren Abteilungsleiterin, während du mit 38 Jahren noch auf dieser Position wartest. Der Schulfreund hat bereits sein zweites Unternehmen verkauft, während du noch über deiner ersten Gründungsidee brütest.
Warum lineare Zeitvorstellungen unrealistisch sind
Die Idee einer linearen Karriere- oder Lebensentwicklung ist ein Konstrukt, das mit der Realität wenig zu tun hat. Hier drei Gründe, warum diese Vorstellung grundlegend falsch ist:
1. Die Zick-Zack-Natur echter Entwicklung
Tatsächliche Karrierewege verlaufen selten linear. Sie beinhalten Umwege, Sackgassen und überraschende Wendungen. Es gibt Hinweise aus Studien, dass Führungskräfte mit vielfältigen Erfahrungen und Übergängen zwischen Rollen oder Branchen langfristig erfolgreicher sind. Beispielsweise zeigt eine Studie, dass erfolgreiche Führungskräfte im Durchschnitt 13,5 größere berufliche Veränderungen durchlaufen haben, was auf die Bedeutung von vielseitiger Erfahrung hindeutet.
2. Der Survivor-Bias in Erfolgsgeschichten
Wir hören immer nur die Erfolgsgeschichten derer, die früh durchgestartet sind. Was wir nicht sehen, ist die viel größere Anzahl derer, die länger gebraucht haben.
Die Statistik zeigt: Das Durchschnittsalter erfolgreicher Unternehmensgründer*innen liegt bei 45 Jahren. Vera Wang begann ihre Karriere als Designerin mit 40, Ray Kroc startete McDonald’s mit 52, und Julia Child veröffentlichte ihr erstes Kochbuch mit 49.
3. Die unterschiedlichen Reifungsprozesse
Verschiedene Fähigkeiten haben unterschiedliche „Reifezeiten“. Während mathematisches Talent oft früh sichtbar wird, entwickeln sich Führungsqualitäten, strategisches Denken und Urteilsvermögen typischerweise über Jahrzehnte.
Die kognitive Verzerrung hinter dem „zu spät“-Gefühl
Das Gefühl, „zu spät dran“ zu sein, ist keine objektive Realität, sondern eine kognitive Verzerrung – ein systematischer Denkfehler:
Der soziale Vergleich mit selektiver Wahrnehmung
Wir vergleichen unser vollständiges Leben mit den geglätteten, beschleunigten Geschichten, die andere präsentieren. Dies ist, als würden wir unseren ungeschnittenen Dokumentarfilm mit dem sorgfältig editierten Highlight-Reel anderer vergleichen.
Die Illusion des festgelegten Zeitplans
Es gibt keinen universellen Zeitplan für persönliche oder berufliche Entwicklung. Die Vorstellung, dass bestimmte Erfolge bis zu einem bestimmten Alter erreicht sein müssen, ist eine gesellschaftliche Konstruktion ohne faktische Grundlage.
Früher vs. heute: Während früher Führungspositionen oft erst nach Jahrzehnten im Beruf erreicht wurden, hat sich der Druck erhöht, bereits in jungen Jahren Karriere zu machen. Dennoch gibt es keine festen Altersgrenzen, und Spätstarter können genauso erfolgreich sein wie jene, die früh aufsteigen. Heute glauben viele, mit 35 „zu spät“ für diesen Schritt zu sein. Absurd, wenn man darüber nachdenkt!
Übung: Der 4-Punkte-Realitätscheck
Diese 5-Minuten-Übung hilft dir, dein „zu spät“-Gefühl objektiv zu prüfen und deinen eigenen Zeitplan anzunehmen.
Anleitung:
Nimm dir einen Stift und ein Blatt Papier und beantworte diese vier Fragen ehrlich:
1. Erfahrungsintegration:
Welche drei wertvollen Fähigkeiten habe ich durch meine vermeintlichen ‚Umwege‘ gewonnen, die jemand mit einem ‚direkteren‘ Weg nicht hätte?
2. Optimale Herausforderung:
Fühlen sich meine aktuellen Aufgaben richtig an – weder langweilig noch überwältigend? Wäre ich vor zwei Jahren schon bereit dafür gewesen?
3. Authentisches Engagement:
Gibt es Teile meiner Arbeit, die ich so interessant finde, dass ich manchmal die Zeit vergesse?
4. Persönliche Erfolgsdefinition:
Was bedeutet Erfolg für MICH persönlich – nicht für meine Eltern, Freund\innen oder die Gesellschaft?*
Abschluss der Übung:
Formuliere auf Basis deiner Antworten einen wertvollen Satz, der dich an dein eigenes Tempo erinnert. Zum Beispiel:
„Mein Weg hat mir einzigartige Stärken gegeben – ich bin genau zur richtigen Zeit hier.“
Schreibe diesen Satz auf einen Klebezettel und platziere ihn an einem Ort, den du täglich siehst.
Diese kurze Übung wirkt, weil sie kognitive Verzerrungen mit konkreten Gegenbeweisen aus deinem eigenen Leben konfrontiert.
Conclusio
Sich mit anderen zu vergleichen ist wie ein Navi, das dich sicher und schnell, aber halt leider zum falschen Ziel führt. Die drei vorgestellten Wege – deinen eigenen Erfolgsmaßstab definieren, eine Wachstumsorientierung entwickeln und deinen eigenen Zeitplan akzeptieren – sind dein persönliches GPS zu mehr Zufriedenheit.
Ich bin überzeugt: Mit jedem Schritt, den du von der Vergleichsfalle weggehst, findest du mehr von dem, was wirklich zu dir passt.
Also, welchen Weg probierst du als Erstes aus?